
Gutachter im Audit Schädlingsbekämpfung in der Lebensmittelproduktion
Wer schreibt, der bleibt? – die Dokumentation in der Schädlingsbekämpfung
von Dr. Gerhard Karg und Peter Gottleuber
Im Original erschienen bei DPS, Beckmann Verlag .
Wer schreibt der bleibt – Stimmt das?
Die “einfache” Anwort: Jain.
Man sollte denken, dass das Dokumentieren das einfachste bei der Schädlingsbekämpfung ist.
Jeder Schädlingsbekämpfer sollte wissen welche Produkte er, gegen welchen Schädling, in welchen Mengen, ggf. Anwendungskonzentrationen und wo ausbringt. Auch das Ausbringungsverfahren müsste klar sein. Und natürlich weis er bei welchem Kunden er an welchem Tag ist, oder?
Und wonach schauen Lebensmittelkontrolleure und Auditoren zuerst? Nach der Dokumentation!
Was zu dokumentieren ist kann man natürlich jederzeit in der TRNS nachlesen.
Dort findet man in der 2. Auflage unter Punk B2.6.1 die grundlegenden Forderungen zur Basisdokumentation : „Ort (Gebäude oder Teilbereiche der Gebäude), und Datum der Ausbringung, Schädlingsart, genaue Bezeichnung der ausgebrachten Schädlingsbekämpfungsmittel in der zugelassenen Anwendungskonzentrationen, Name der ausbringenden Person).
Unter Punkt B2.6.2 wird auf weiterführende Dokumentation verwiesen: „ In Abstimmung mit dem Kunden kann die Dokumentation nach gängigen Standards vereinbart werden oder die Basisdokumentation um weitere Elemente ergänzt werden (z.B. als Checkliste mit Datum und Unterschriftskürzel bei jedem einzelnen Schritt, Vermerke, Gegenzeichnungen des Kunden usw.)
Und trotzdem fehlen bei jedem zweiten Audit wichtige Informationen in der Dokumentation.
Es genügt nicht zu dokumentieren, dass der Wirkstoff Difenacoum eingesetzt wird, sondern auch das eingesetzte Produkt muss dokumentiert werden, genauso wie die ausgebrachte Menge und Anwendungskonzentration eines Spritzmittels.
Was häufig fehlt
Was fehlt häufig noch?
Beim Einsatz von Nagerködern muss erkennbar sein wann dieser gewechselt wurde. Die Köder sind nicht unendlich haltbar und die Aussagen „bei Bedarf“ getauscht ist sinnlos. Gab es einen Bedarf und wurde getauscht oder gab es keinen Bedarf? Wann besteht denn Bedarf und ist die Einschätzung nachvollziehbar und wird die Situation von jedem Techniker gleich eingeschätzt?
Klingt eher nach „Bauchgefühl“. Oder der Bedarf muss beschrieben werden z.B. weil er unattraktiv war/ nicht angenommen wurde oder schimmelte.
Natürlich kann auch vertraglich geregelt werden, dass die Köder bei jedem Service oder auch halbjährlich getauscht werden. Dann muss der Tausch nicht mehr im Einzelnen dokumentiert werden. Bei Mäusen macht es auch oft Sinn verschiedene Köder(-formulierungen) in einer Station auszubringen. Dies ist natürlich möglich, muss sich aber aus der Dokumentation ablesen lassen.
Es reicht bei der Nagerbeköderung NICHT aus nur die Köderannahme in einer Köderstation zu dokumentieren; viel häufiger ist Nagerbefall an Kot und Urin, oder an Fraß- und Nagespuren zu erkennen. Auch Schaben und Motten sind nicht nur an Fangzahlen oder an Eipaketen, Kot, oder bei Motten an Gespinsten oder fliegenden Motten zu erkennen.
Auch dies muss dokumentiert werden, ebenso bauliche, organisatorische und hygienische Mängel die „schädlingsrelevant bzw. befallsrelevant“ sind. An diesem Punkt kommen viele Dokumentationen leider an ihre Grenzen.
Überwachung und Kontrolle
Dementsprechend sind kritische Kontrollpunkte zu überwachen und beim Überschreiten von Schwellenwerten sind Gegenmaßnahmen einzuleiten. Insbesondere beim Befall mit Gesundheitsschädlingen ist hier zu handeln und dieser kritische Kontrollpunkt abzustellen, sprich bekämpfen und damit verbundene Reinigungsarbeiten um Kontaminationen durch die Schädlinge und die Lebensgrundlage der Tiere zu entfernen.
Außerdem sollten ihm Empfehlungen gegeben werden, wie eine solche Situation in Zukunft vermieden werden kann, z.B. wenn Türen gegen das Eindringen von Nagern gesichert und geschlossen gehalten werden.
Ein Gespräch mit dem Kunden genügt da in der Regel nicht. Wahrscheinlich hat er Ihre Empfehlungen eh gleich wieder vergessen.
Im Streitfall zählt nur das geschriebene Wort, denn der Kunde quittiert mit seiner Unterschrift, dass er Ihre Ergebnisse zumindest zu Kenntnis genommen hat. Auch wenn der Kunde mal ein langes Gesicht macht wegen ihres Berichtes, sind wir der Meinung, dass eine ausführliche Dokumentation des Ist-Standes, der befallsrelevanten Mängel und der von Ihnen empfohlenen Gegenmaßnahmen ein wichtiges Quälitätsmerkmal Ihrer Arbeit als Profi ist.
Keine Angst vor unschönen Wahrheiten
Ihre fachliche Expertise wird vielleicht nicht auf Gegenliebe stoßen, aber versuchen Sie es Ihrem Kunden sachlich zu erklären. Eine effektive Schädlingsbekämpfung und -prävention wird nur in Zusammenarbeit erreicht und dafür muss man auch mal unschöne Dinge aufs Tableau bringen. Dies nennt sich Integrierte Schädlingsbekämpfung (IPM). Nur so kann der Einsatz von Bioziden, wie gefordert, auf des unbedingt erforderlich Maß reduziert werden.
Dokumentation des Aufwandes
Außerdem sollte auch die Zeit, die ein Techniker in einem Betrieb verbringt erkennbar sein.
Ich halte es für erforderlich und empfehle es jedem Kunden sich den Sachkundenachweis der bei ihm tätigen Techniker vorlegen zu lassen, denn leider gibt es immer noch zahlreiche Betriebe die „Techniker“ einsetzen die nicht die dafür notwenigen Sachkunde besitzen.
Hilfreich ist eine Jahresübersicht, bei der auf einen Blick die „Schädlingssituation“ erkennbar ist, am besten in Form einer übersichtlichen Checkliste.
Was fordern die Industriestandards und DIN-Vorschriften
In der DIN 10523 „Schädlingsbekämpfung im Lebensmittelbereich“ heißt es: „Die Befallsermittlung dient zur Feststellung der möglichen Befallsorte, der Befallsausbreitung, der Befallsstärke oder der Feststellung „Kein Befall“.“
So aufwendig und teilweise lästig eine detailierte Dokumentation auch sein mag, ergeben sich aus ihr auch ganz klare Vorteile. Mit einem schlüssigen Montoring- und Bekämpfungssystem und der entstrechenden Dokumentation der Ergebnisse in Checklisten, behalten Sie den Überblick und bleiben Herr der Lage. Man kann daraus Schlussfolgerungen ableiten wie z.B.: Befall breitet sich aus oder ist rückläufig, kann Befallsschwerpunkte oder Einschleppungs- bzw. Zulaufwege identifizieren und zielgerichtet an der Lösung der Probleme arbeiten.
Schädlingsbekämpfer, die Kunden haben die nach IFS, BRC oder anderen Standard zertifiziert sind müssen zusätzliche Dokumentationen wie z.B. Trendanalysen o.Ä. abliefern.
Details dazu sind in den jeweiligen Standards zu finden. Beispielhaft sei das am IFS Food Version 6.1 dargestellt. Die Anforderungen an die Schädlingsbekämpfung werden in IFS Food Version 6.1 vom November 2017 in Kapitel 4.13 beschrieben
Gefordert werden hier unter anderem:
Die Berücksichtigung des betrieblichen Umfeldes, Inspektion und die daraus resultierende Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung müssen dokumentiert werden und die Umsetzung der Maßnahmen überwacht und aufgezeichnet werden und Trendanalysen??? (siehe dazu Karg und Mitmeier DPS))
IFS Standard Schädlingsbekämpfung
Die Forderungen IFS Standard Schädlingsbekämpfung gehen weit über das hinaus, was bisher gefordert wurde und orientieren sich an der DIN 16636.
Besondere Auflagen gibt es bei Anwendungen von Schädlingsbekämpfungsmittel in Gemeinschaftseinrichtungen, die laut TRGS 523 beim Einsatz von T+, T und Xn Produkten eingehalten werden müssen, z.B. die Anmeldung der Bekämpfungsmaßnahme bei der Entsprechenden Behörde.
Wie wird dokumentiert?
Heute gibt es zahlreiche Online-Dokumentationssysteme deren Anschaffung oft nicht unbedeutende Ressourcen verschlingt. Trotzdem kann man als Dienstleiter nicht von seinem Kunden verlangen, dass er dieses System auch nutzt.
Will der Kunde Papier hat er Papier zu kriegen, dies gilt vor allem wenn Filiallisten betroffen sind, die häufig keinen Online-Zugang haben. Ein mobiler Drucker wäre hier eine simple Lösung.
Es gibt Kunden, die vor Ort keinerlei Unterlagen über sie Schädlingsbekämpfung erlauben. Grund dafür ist, dass es dem Betrieb bei der nächsten behördlichen Kontrolle „Nachteile“ bringen kann, wenn der Techniker dokumentiert, dass „immer noch nicht gereinigt „ wurde. Ist dies dokumentiert kann davon ausgegangen werden, dass der Betrieb VORSÄTZLICH nicht reinigt, den Mangel billigend in Kauf nimmt und in der Konsequenz mit einer Strafanzeige zu rechnen hat.
Das unterschreibe ich nicht!
Aber manchmal kann eine ausführliche Dokumentation auch zu Differenzen mit Kunden führen, Anders als Lebensmittelkontrolleure sind wir Dienstleiter und damit austauschbar.
Wer kennt das nicht: Wenn Sie noch einmal schreiben, dass ich reinigen muss suche ich mir einen anderen Schädlingsbekämpfer“ oder „das unterschreibe ich nicht“
.
Nun, damit müssen wir leben, aber wer will schon so einen Kunden haben? Solange sich ein anderer dafür vor den Karren spannen lässt, wird dieses Spiel nie ein Ende haben.
Wir sind gut ausgebildet, sachkundig und kompetent. Im Streitfall ist Ihr gut gemeintes Wort nur Schall und Rauch.
Sollen wir uns von Kunden wirklich vorschreiben lassen was zu tun und dokumentieren ist?
Ich denke: Nein!